Sacha Johann

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"ERST WENN ICH ALLES ERLEDIGT HABE, FÜHLE ICH MICH FREI"

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Simone M., 48 Jahre, Abteilungsleiterin in der Gesundheitsbranche nahm mit mir Kontakt auf, um ein SINN-Formel Coaching zu buchen. Ihren Job übte Sie seit neun Jahren aus. Strukturelle Veränderungen in der Firma brachten es mit sich, dass ihre Abteilung mit einer anderen zusammengelegt werden sollte. Nun ging es um die Frage, wer die Leitung übernehmen sollte. Der Leiter des anderen Teams stand zwei Jahre vor seiner Pensionierung und hatte grundsätzlich keine Ambitionen die Führung zu übernehmen. Simone M. war somit Favoritin für diese Position. Allerdings signalisierte Ihr Vorgesetzter, dass er in Erwägung zog, eine externe Lösung zu prüfen.

Grund dafür war, dass er die Arbeit von Simone M. und auch sie als Person schätzte, aber bemängelte, dass sie mit der mittel- und langfristigen Planung Mühe hatte. Auch stellte er vermehrt fest, dass sie sich mit Veränderungen schwertat. Es standen einige Projekte im Bereich der Digitalisierung und Prozessanpassungen vor der Tür und er spürte, dass der Grad ihrer Performance in dieser Hinsicht nicht seinen Erwartungen entsprach. Zudem erwartete er von ihr, dass sie aufzeigte, wie sie die beiden Abteilungen vereinen und in eine erfolgreiche Zukunft führen wollte. Auf diesen Vorschlag wartete er schon seit Wochen.

Sie erzählte mir, dass sie ihren Job und auch die Firma sehr schätzte und sich dieser neuen Herausforderung sehr gerne stellen würde.

Die Krux mit den Veränderungen
«Allerdings», so gestand sie, «tue ich mich auch schwer mit Veränderungen. Ich mache meinen Job nun seit neun Jahren und habe meinen Laden im Griff. Ich ertappe mich immer wieder beim Gedanken, warum denn Änderungen nötig sind, wo doch alles so läuft wie wir es heute machen. Ich weiss, dass diese Einstellung falsch ist und dass Anpassungen, wenn am Anfang auch mühsam, zur Effizienzsteigerung beitragen.

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Mein Ziel ist es, dass ich eine Vision für die neue Abteilung entwickle und Veränderungen als positive Herausforderung sehe. Verhindern kann ich es ja eh nicht. Diese Einstellung will ich auch meinen Mitarbeitenden vermitteln. Aber eben, so einfach ist das nicht. Einige meiner Teammitglieder sind gleich lang oder schon länger in ihrer Position und sind mit der aktuellen Situation zufrieden und sehen keinen Grund für Anpassungen.

Zudem will und muss ich mein Denken langfristiger ausrichten und mich nicht nur auf die direkt anliegenden Arbeiten fokussieren. Ich bin immer up-to-date, wenn ich am Abend nach Hause gehe. Vorher könnte ich meinen Schreibtisch nicht verlassen. Alles muss erledigt sein. Zuhause geht das dann weiter. Ich kann nicht einschlafen, wenn ich weiss, dass im Wäschetrockner noch Wäsche liegt, oder der Müllsack entsorgt werden muss. Erst wenn ich das alles erledigt habe, bin ich ruhig. Wenn eine Aufgabe jedoch nicht eine kurzfristige Dringlichkeit hat, schiebe ich sie immer weiter vor mir her.

Fokus auf die persönlichen Werte
Wir starteten mit dem Coaching Prozess. Der Ansatz startet damit, die persönlichen Werte und Prioritäten zu überprüfen. Oftmals stellt sich heraus, dass sich diese Werte und Proritäten mit den Jahren verschieben. In den meisten Fällen wird das meinen Klientinnen und Klienten erst im Coaching so richtig bewusst.

Die Beurteilung der aktuellen Situation
Die Erkenntnisse aus dieser ersten Phase bilden die Basis für die nachfolgende Beurteilung der aktuellen Situation. Hier finden wir heraus, was gut läuft und erhalten werden soll. Jedoch auch, wo es Unstimmigkeiten und Herausforderungen gibt und wie meine Klientiennen und Klienten diese lösen können. Daraus entsteht ein Massnahmenplan,in welchem sämtliche Schritte und Termine verbindlich festgehalten werden.

Bei Simone M. stellte sich in der ersten Phase heraus, dass ihre Werte und Prioritäten noch immer dieselben wie zu Beginn ihrer Karriere waren.

Dann folgte die Standortbestimmung. Beim Thema Performance stellten wir fest, dass sie nach wie vor eine grosse Leistungsbereitschaft an den Tag legte und die in sie gesteckten Erwartungen auch erfüllte. Es bestätigte sich aber auch, dass sie Veränderungen nicht mochte und vor allem in solchen Situationen zum Aufschieben neigte. Damit stand sie sich oft selbst im Weg.

Als wir den Fokus auf ihre langfristige Planung lenkten und konkret über ihre Vorstellung bezüglich der Zusammenlegung der beiden Abteilungen sprachen, kristallisierte sich heraus, dass sie eigentlich gar nicht recht wusste, was ihr Vorgesetzter von ihr erwartete. Diese Frage war die wohl dringendste, die im Raum stand.

Wir erstellten gemeinsam einen detaillierten Vorgehensplan damit sie sich eine Basis für die weiteren Schritte legen konnte. Dieser Plan war schnell erstellt und wir vereinbarten, dass sie bis zum nächsten Termin offene Fragen klären und verschiedene Szenarien aufskizzieren würde. Dieser Plan gab ihr Mut und den Antrieb die nächsten Schritte zu gehen.

Wenn ein guter Plan alleine nicht reicht
Aber das war ja «nur» der Plan und Papier nimmt bekanntlich alles an. Oftmals gehen Menschen nach einem Coaching in der ersten Phase motiviert an die Sache ran. Dann holt sie irgendeinmal das Tagesgeschäft ein, Dinge laufen nicht so, wie sie sollten, sie stossen auf Widerstände, verlieren Mut und Motivation und kehren zu den alten Mustern zurück.

Meistens gibt es einen bestimmten Grund, weshalb Menschen sich in solchen Situationen so verhalten.

Noch immer stand die Tatsache im Raum, dass Simone M. kurzfristige Arbeiten speditiv und einwandfrei erledigte, sich jedoch bei langfristigen Plänen und Veränderungen schwertat. Ob es da einen Zusammenhang gab? Dieses Thema nahm ich deshalb noch einmal auf.

«Sie haben mir erzählt, dass Sie sich erst frei fühlen, wenn sie anliegende Arbeiten erledigt haben. Seit wann haben Sie dieses Gefühl.»

«Dieses Gefühl kenne ich schon seit meiner Kindheit», war ihre Antwort. Sie erzählte mir, dass Ihr Vater ein strenger Patriarch war. Er konnte bei Widerspruch oder wenn sie etwas falsch gemacht hatte, tagelang die Kommunikation mit ihr komplett einstellen. Das galt auch für die Mutter und ihre beiden Geschwister. Die Kinder mussten oft im Haus und im Garten aushelfen. Erst wenn alles erledigt war, durften sie spielen und ihre Freizeit geniessen. Als weitere «Belohnung» gab es Zuspruch und Zuneigung des Vaters.

«Und je schneller sie eine Arbeit erledigt hatten, desto schneller hatten Sie Ihre Freiheit?» fragte ich.

«Genau» war ihre Antwort.

«Und neue Aufgaben bedeuteten eine Veränderung, die zur Folge hatten, dass Sie Ihr Muster anpassen mussten?», fragte ich.

«Mit der Zeit wussten wir, was wie zu tun war, damit wir seinen Ansprüchen genügten», sagte sie. «Aber jedes Mal, wenn er uns eine neue Aufgabe gab, waren wir verunsichert und fragten uns, ob wir denn alles richtig machten. Zudem getrauten wir uns kaum nachzufragen, wenn uns etwas nicht klar war»

Ich glaubte zu verstehen, warum sie sich mit neuen Aufgaben und Veränderungen schwertat. Das hatte weniger mit Verweigerung oder “Aufschieberitis”, sondern mehr mit der Tatsache zu tun, dass sie wieder mit der Ungewissheit konfrontiert war, ob sie die Herausforderung richtig erfassen und in guter Qualität erledigen zu konnte.

Das Gefühl, Erwartungen nicht befriedigen zu können steckte noch immer tief in ihr. Dieses galt es zu neutralisieren und die mentale Blockade nachhaltig zu beseitigen. Ich wende dazu einen zweistufigen Prozess an, in welchem ich mit iEMDR die Blockade löse und mit Hypnose die neue, positive Überzeugung vertiefe. Zudem zeigte ich Simone M. einige wirkungsvolle Mentaltools, die sie jederzeit einsetzen konnte.

Mit der Kombination, welche aus einem klaren Vorgehensplan und mentalen Werkzeugen bestand, startete sie ihren Weiterentwicklungsprozess. Ein paar Monate nach unserem letzten Meeting rief sie mich an. Die in sie gestellten Erwartungen konnte sie Schritt für Schritt erfüllen und die Leitung der neuen Abteilung übernehmen. «Noch wichtiger für mich aber ist», so Simone M., «dass ich meine Denk- und Verhaltensmuster nachhaltig zu meinem Vorteil verändern konnte. Das gibt mir Freiheit und motiviert mich, langfristig in die Zukunft zu blicken»


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