Sacha Johann

View Original

"In zwei Jahren bin ich selbständig“ - Der Spagat des Sidepreneurs

Als Podcast hören

See this content in the original post

Auch wenn Menschen klare Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft haben, besteht manchmal das Bedürfnis, das Vorhaben in einem Coaching zu reflektieren - zum Beispiel wenn es darum geht, den Spagat zwischen Angestelltensein und Selbständigkeit erfolgreich zu meistern. Die Geschichte von Peter M. ist ein gutes Beispiel dafür.

Vor der ersten Sitzung sende ich meinen Klientinnen und Klienten ein Vorbereitungsblatt mit Fragen zu ihrem Anliegen. Das tue ich, um ein erstes Bild zu erhalten, aber auch um ihnen die Gelegenheit zu geben, sich in Ruhe mit ihrer Situation auseinanderzusetzen. Zudem wird das Unterbewusstsein des Klienten schon einmal auf die Situation eingestellt.

Peter M. 42 Jahre, verheiratet und Vater einer 10-jährigen Tochter, arbeitete im Rechnungswesen einer Krankenversicherung. In seiner Freizeit betrieb er leidenschaftlich Sport: Triathlon, Bergläufe und Krafttraining. In der Firma leitete er eine Laufgruppe, die zwei Mal pro Woche über den Mittag oder am frühen Morgen gemeinsam trainierte und an verschiedenen Läufen im In- und Ausland teilnahm.

Er hatte mir geschrieben, dass er seine weitere Zukunft ohne seinen aktuellen Arbeitgeber plane. Er wolle sich als Fitnesscoach selbständig machen und in spätestens zwei Jahren davon leben können. Er habe alles geplant und wolle in einem Coaching abschliessend sicherstellen, dass er auf Kurs sei – rational aber auch mental.

„Interessant“, dachte ich damals beim Lesen und fragte mich, ob er für einen Fitnesscoach nicht ein bisschen zu alt sei.

Als er bei mir zum Coaching eintraf, fiel mir seine sportliche Statur sofort auf. Sein Auftreten war dynamisch und entschlossen und es kam mir fast so vor, dass ob er mich in mein Sitzungszimmer führen wollte und nicht umgekehrt. Ich musste ihn regelrecht bremsen, da unser Coaching an der frischen Luft startete.

Wenn es das Wetter und die Konstitution meiner Klienten zulässt, gehen wir zu Beginn zuerst ein paar Schritte spazieren. Da bei Peter M. beides der Fall war, starteten wir unser Coaching am Ufer des Vierwaldstättersees.

„Danke, für die Beantwortung Ihrer Fragen“, startete ich. „Was ist denn ihr Ziel für unser Treffen?“

„Ich arbeite seit sechs Jahren bei meinem heutigen Arbeitgeber. Der Job ist gut, die Bedingungen ebenfalls. Aber meine Leidenschaft liegt im Sport. Ich habe in den letzten Jahren immer mehr gespürt, dass ich meinen Job gerne mache, er aber ein Mittel zum Zweck ist, damit ich mein Leben und das Leben meiner Familie finanzieren kann. In meiner Freizeit beim Sport kann ich mich voll entfalten. Nun habe ich den Entschluss gefasst, mein Hobby zum Beruf zu machen. Grundsätzlich habe ich ganz klare Vorstellungen davon was und wie ich es tun werde. Aber das ist alles in meinem Kopf entstanden und ich möchte das Ganze im Rahmen des Coachings reflektieren.»

«Was wollen Sie denn genau machen?», fragte ich zurück. «Ich will Personal- und Gruppentrainings anbieten». Für Berufstätige am frühen Morgen, über Mittag und am frühen Abend. Auf Anfrage natürlich auch während des Tages. Dann soll viermal im Jahr eine Sport- und Gesundheitswoche dazukommen. Dafür habe ich in meinem Netzwerk eine Ernährungsberaterin, eine Yogalehrerin und einen Physiotherapeuten. Ergänzend werde ich einen Webshop einrichten, in welchem ich Nahrungsergänzungsmittel und Fitnesstools mittels Dropshipping vertreibe.“, sagte er voller Überzeugung. Die Leidenschaft, war unmissverständlich zu erkennen.

«Und wer ist Ihre Zielgruppe» fragte ich zurück, noch immer den Gedanken im Kopf, den ich beim Durchlesen seiner Antworten im Fragebogen hatte.

«Menschen in meinem Alter» war seine Antwort. Ich habe festgestellt, dass sich viele davor scheuen, in ein Training zu gehen in dem junge Mitte-Zwanziger dabei sind. Oder sich einen 25-jährigen Personal Trainer zu buchen, auch davor scheuen viele Menschen zurück. Vermutlich weil die Altersdifferenz zu hoch ist. Mit mir im Training sind sie unter Seinesgleichen und ich bin doch in meinem Alter das beste Beispiel, dass man auch über 40 fit und sportlich sein kann.“

„Interessant“, antwortete ich und dachte für mich selbst: „Dann haben wir ja mit der Generation X dieselbe Hauptzielgruppe.“

„Das hört sich alles sehr durchdacht an“, sagte ich dann.

„Ja“, antwortete er. Aber eben, ich will sicher gehen, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Im weiteren Verlauf unseres Gespräches stellte ich fest, dass sich Peter M. sehr viele Gedanken über den Schritt in die Selbständigkeit gemacht hatte und sich nicht von seinem aktuellen Job in die Selbständigkeit flüchten, sondern zu etwas Neuem hingehen wollte. Das ist für mich ein mit entscheidender Erfolgsfaktor.

Auch, dass er sich genügend Zeit für seine Entwicklung geben wollte, fand ich wichtig. Sein Plan war, nicht alles über den Haufen werfen, sondern Schritt für Schritt an seinem Projekt arbeiten und dann, wenn es ihm mental und rational richtig erschien, ganz auf die Karte Selbständigkeit setzen.

1. Die persönlichen Werte, Prioritäten und Bedürfnisse
In der ersten Etappe des PERFORMANCE PASSION PROFIT Prozesses geht es darum, die eigenen Werte, das Warum und die persönlichen Prioritäten und Bedürfnisse in Bezug auf Performance (Leistung), Passion (Leidenschaft) und Profit (Lohn) zu überprüfen. In dieser Phase erhielt Peter M. die Bestätigung bezüglich seiner Einstellung auf dem richtigen Weg zu sein. Am Ende dieser Etappe lade ich meine Klienten ein, ihr ganz persönliches Wunschbild ihrer beruflichen Situation aufzuschreiben oder aufzuzeichnen. Ziel ist es, dass der Klient ganz sein Idealbild affirmiert und so voll und ganz auch in seinem Unterbewusstsein verinnerlicht. Dieser Schritt löst je nach Situation des Klienten ganz unterschiedliche Reaktionen aus: Bestätigung, Stolz, Zuversicht, Motivation, Begeisterung, Aufbruchstimmung. Es kann aber auch Angst, Ärger, Wut und Bedauern über Verpasstes sein. Bei Peter M. waren es in erster Linie Bestätigung, Motivation und Aufbruchstimmung. Er war bereit.

2. Die Standortbestimmung
In der zweiten Etappe geht es darum, mittels einer Standortbestimmung herauszufinden, was der Klient bereits schon mitbringt und was er allenfalls noch braucht, um sein Projekt anzustossen. Auch hier richten wir uns an den drei Grundpfeilern Performance, Passion, Profit.

Da sich Peter M. schon seit einiger Zeit mit seiner Selbständigkeit beschäftigte und bereits einen klaren Plan hatte, gab es nicht viele Lücken zu füllen. Er wusste, was er wollte, war sich seiner Sache sicher und hatte sich einen klaren Plan. Wichtig war auch, dass seine Frau ihn unterstützte und in seinem Vorhaben bestärkte. Der Umstand, dass seine Tochter mit 10 Jahren nicht mehr so viel Betreuung wie früher brauchte, ermöglichte es ihr, ihr Arbeitspensum bei einer Versicherungsgesellschaft etwas aufzustocken.

Über die Initialfinanzierung musste sich Peter M. keine grossen Gedanken machen, da seine Selbständigkeit neben den üblichen Kosten für Gründung, Marketing und Kommunikation keine weiteren Investitionen erforderte. Da er seinen Webshop mittels Dropshipping betreiben wollte, benötigte er auch hier neben den Programmier- und Marketingkosten keine weiteren finanziellen Mittel.

Um den Lebensunterhalt finanzieren zu können, standen der Familie neben den Einkünften seiner Frau noch Kapital zur Verfügung, das sich Peter M. für das Projekt angespart hatte. Zudem lag es auf der Hand, dass er mit seinem Projekt neben seiner beruflichen Tätigkeit in der Freizeit starten und Schritt für Schritt wachsen lassen wollte. Er rechnete sich gute Chancen aus, sein Pensum bei seinem Arbeitgeber bei Bedarf reduzieren zu können.

Als wir nach weiteren Möglichkeiten suchten, stelle sich heraus, dass Peter M. in den vergangenen Jahren immer wieder für Familienmitglieder, Freunde und Bekannte die private und geschäftliche Steuererklärung ausgefüllt hatte. Hier sahen wir auch weiteres Potenzial um, wenn auch eher saisonal, weitere Einkünfte und damit Kapital zu generieren.

3. Die Ziele und die Massnahmen
In Bezug auf die Positionierung gab es Lücken. Peter M. verfügte zwar über genaue Vorstellungen, über seine Nische, noch hatte er keine klaren Botschaften. Ich gab ihm deshalb für die Positionierung folgende Fragen mit auf den Weg:

Wer bin ich?
Was mache ich?
Für wen mache ich es?
Wie mache ich es?
Warum mache ich es?
Warum sollten die Menschen zu mir kommen/meine Dienste in Anspruch nehmen?

Weiter fehlte ein Plan, wie und über welche Kanäle er seine Zielgruppe erreichen konnte. Themen wie Online Marketing, Sales Funnel, Google Ads, Empfehlungsmarketing etc. waren ihm selbstverständlich ein Begriff. Aber wie er das alles anpacken und umsetzen wollte, war ihm noch nicht ganz klar. Ein widerspruchsfreier und professioneller Auftritt sind das A und O für eine Unternehmung. Auch wenn sie noch so klein ist. Es macht Sinn, dafür mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der einen professionellen Auftritt sicherstellt und mit dem Klienten die zu bespielenden Kanäle definiert.

Sinnvollerweise hat dieser Anbieter von der Branche eine Ahnung oder betreut schon Kunden in diesem Segment. Diesen galt es noch zu finden. Peter M. wollte den Such- und den Entscheidungsprozess innerhalb  eines Monats erledigen.

Wenn sämtliche Ziele und Massnahmen definiert sind, mache ich zum Abschluss gerne mit meinen Klienten einen Perspektivenwechsel. Der Klient bestimmt eine Vertrauensperson, zum Beispiel seine Partnerin, seinen besten Freund, jemanden aus der Herkunftsfamilie oder aus dem Job. Für diese Sequenz steigt der Klient in die Rolle dieser Vertrauensperson und beantwortet Fragen, die ihr der Klient unter Umständen stellen würde. Somit gibt der Perspektivenwechsel dem Klienten eine weitere Möglichkeit sein Vorhaben, sein Denken und Handeln aus einem anderen Blickwinkel zu hinterfragen. Hier ein paar Beispiele für Fragen:

Was hältst du von meiner Idee?
Traust du es mir zu?
Warum traust du es mir zu?
Was fehlt mir noch?
Woran könnte es scheitern?
Würdest du meine Dienstleistung beanspruchen?

Die Antworten widerspiegelten im Fall von Peter M. die Überzeugung die, er schon vor dem Coaching hatte und die Erkenntnisse, die er während des Coachings gewann.

4. Die Umsetzung
Ich begleitete Peter M. in seinem Prozess noch im Rahmen von einigen Anschlussmeetings, die in unregelmässigen Abständen stattfanden. In diesen Meetings überprüften wir die Entwicklung seines Projektes, insbesondere die Massnahmen, die er nach dem Coaching in die Wege leitete. Danach verfolgte er sein Ziel selbständig und erlebte die Ups und Downs, die jeder kennt, der sich selbständig macht.

Nach sechs Monaten reduzierte er sein Pensum bei seinem Arbeitgeber. 18 Monate nach unserem Coaching kündigte er seine Stelle und lebt heute seinen Traum von der Selbständigkeit.


Stellen Sie sich ähnliche Fragen oder wollen auch Sie sich privat oder beruflich weiterentwickeln? Vielleicht sogar selbständig machen? Nehmen Sie mit mir Kontakt auf. Wir finden die Antworten auf Ihre Fragen.

Keinen Blogbeitrag verpassen? Abonnieren Sie meinen Newsletter.