Sacha Johann

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"Das mache ich nicht mehr mit" - Wenn das Feuer für den Job erlischt

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Als Markus D. im Coaching erschien, machte er einen abgekämpften, frustrierten Eindruck. Im Vorfeld hatte er mir mitgeteilt, dass er die Leidenschaft für seinen Job komplett verloren hatte. Ich hörte aus seinen Worten Resignation, Enttäuschung und Ratlosigkeit heraus. Markus D., 49 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern arbeitete als Gebietsleiter im Aussendienst einer Medizinalfirma.

Elf Jahre lang brannte er für seinen Job. Er war erfolgreich und der Kontakt mit den Kunden machte ihm Spass. Als die Firma vor drei Jahren von einem ausländischen Konkurrenten übernommen wurde, stiegen die Zielerwartungen und die Komplexität der Arbeitsabläufe. Starre Prozesse und immer mehr Administration nahmen ihm die Freiheit, die er früher immer geschätzt hatte.

„Ich muss immer mehr meiner Zeit Papierkram investieren anstelle, dass ich mich um meine Kunden kümmern kann. Der Kontakt mit meinen Kunden war immer mein grösster Antrieb, nun verliere ich immer mehr die Verbindung zu ihnen“.

Hinzu kam, dass die Zusammenarbeit dem neuen Verkaufsleiter, ein «Mitbringsel» der neuen Besitzer, nicht funktionierte. „Ich habe das Gefühl, dass wir zwei völlig unterschiedliche Sprachen sprechen“, sagte er.

„Die ganze Kultur hat sich seit der Übernahme komplett verändert. Früher waren wir ein grosses Team, schon fast eine Familie. Heute herrscht eine Kultur der Angst und des Konkurrenzdenkens. Ich musste in den vergangenen Jahren einige verdiente Mitarbeitende entlassen, weil sie den Ansprüchen der neuen Führung nicht mehr entsprochen haben. Einige jüngere Kolleginnen und Kollegen haben selbst gekündigt, weil sie sich nicht mehr mit der Unternehmung identifizieren konnten. Das war hart und ich selbst rechne jeden Tag damit, dass auch ich ersetzt werde.“

„Gibt es denn Anzeichen dafür?“, fragte ich ihn.

„Ja, ich habe das Gefühl, dass mich der Verkaufsleiter loswerden will. Vor zwei Monaten wurde ich aus zu einem Gespräch eingeladen und mit fragwürdigen Vorwürfen konfrontiert. Ich hätte die Prozesse nicht im Griff und auch meine Führungsqualitäten wurden in Frage gestellt. Das war eine ziemliche Packung. Das Ganze hatte für mich jedoch einen aufgesetzten und inszenierten Eindruck.»

„Wie haben Sie denn auf diese Vorwürfe reagiert?“, wollte ich wissen.

„Nun, ich habe sie nicht kampflos entgegengenommen und habe mich gewehrt, Vorwürfe widerlegt. Aber ich weiss nicht, ob das überhaupt von Bedeutung war. In zwei Monaten wollen sie Resultate sehen. Aber eigentlich weiss ich gar nicht, ob ich das überhaupt noch will…“

Peter M. war ein typischer Vertreter der Generation X. Er hatte noch gelernt, dass Erfolg und Zufriedenheit im Job in erster Linie von Ehrlichkeit, Einsatz, Loyalität und Durchhaltevermögen abhängen. Diese Werte wurden in seinen Augen von der neuen Führung komplett durchgeschüttelt.

„Ich sehe in Vielem ganz einfach den Sinn nicht mehr. Zudem fehlt mir die Wertschätzung für die Mitarbeitenden“ sagte er resigniert.

„Was wollen Sie denn heute in unserem Coaching erreichen?“, fragte ich.

„Ich will mich neu orientieren, etwas Neues finden, dass mich erfüllt. Ich bin noch 16 Jahre in der Arbeitswelt. Da muss jetzt etwas geschehen!“

„Haben Sie denn schon eine Ahnung, wohin die Reise führen soll?“, fragte ich.

„Ehrlich gesagt, Nein. Aber wenn ich es mir genau überlege, mit Menschen sollte es schon zu tun haben.“ Selbständigkeit ist es sicher auch nicht. Ich brauche die Sicherheit und noch mehr als ich braucht sie meine Frau. Sie könnte vermutlich nicht mit dieser Unsicherheit umgehen.»

„Verstehe, aber über welche Form der Selbständigkeit haben Sie sich denn Gedanken gemacht?“, fragte ich zurück.

„Ich habe mit dem Gedanken gespielt, mich als Verkaufstrainer selbständig zu machen und meine Dienste als externer Berater und Trainer in der Branche anzubieten. Startkapital wäre verfügbar, ich habe in den vergangenen Jahren sehr gut verdient. Aber meine Frau hat schon recht, wenn die Sicherheit weg ist, werde ich unsicher….“

„Aber die Sicherheit, die Sie jahrelang hatten, gerät ja aktuell auch ins Wanken“, bemerkte ich.

„Darum bin ich ja auch hier“, schloss er den Kreis. „Ich will raus aus dieser Situation, aus diesem Umfeld. Ich gehe im Moment nur arbeiten, damit ich ein geregeltes Einkommen habe.“

Diese und weitere Antworten waren wichtige Hinweise für den weiteren Verlauf des Coachings. Und ich hatte schon eine vage Ahnung, wohin seine Reise führen könnte. Aber die behielt ich noch für mich.

Also starteten wir mit dem Coaching Prozess.

1. Die persönlichen Werte, Prioritäten und Bedürfnisse

Markus D. stellte im Verlauf der ersten Etappe fest, dass sich seine persönlichen Werte in den vergangenen Jahren verändert hatten. Als er vor 11 Jahren Job antrat, reizte ihn in erster Linie die Aufgabe. Was ihm aber auch gefiel, waren der Status und die attraktiven Anstellungskonditionen. Zudem war er jung und hungrig, sich dem Wettbewerb zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt lebten seine Kinder noch zu Hause und waren in Ausbildung. Da hatten finanzielle Sorglosigkeit und die Möglichkeit seiner Familie fast alles zu ermöglichen, erste Priorität. Heute sah die Sache etwas anders aus. Finanziell ging es ihm und seiner Frau sehr gut. Die Kinder waren ausgezogen und standen finanziell auf eigenen Beinen. Finanzieller Anreiz war heute weniger wichtig als Respekt, Zuspruch und Anerkennung für gute Leistungen.

Seine Leidenschaft, mit Menschen zu arbeiten, zu verkaufen und zu beraten war ungebrochen. Was seine Leistungsbereitschaft betrat, ging es ihm heute mehr darum, für seine Kunden die bestmögliche Lösung zu finden und nachhaltig zwischenmenschliche Partnerschaften aufzubauen. So nahm er sich auch mal etwas mehr Zeit für eine Beratung als früher.

2. Die Standortbestimmung

Die Standortbestimmung war schnell gemacht und spiegelten die eingangs erwähnten Punkte wieder. Auch aufgrund der Erkenntnisse aus der 1. Etappe war für Markus D. klar, dass er sich neu orientieren musste. Und zwar in einem neuen beruflichen Umfeld. Zuviel war in den vergangenen Monaten geschehen, als dass er sich innerhalb der Unternehmung weiterentwickeln wollte. Aufgrund der Erkenntnisse aus der 1. Etappe war für ihn jedoch genauso klar, dass er sich nicht einfach einen ähnlichen Job bei einer anderen Unternehmung suchen wollte. Dafür war die Verschiebung seiner persönlichen Werte und Prioritäten zu frappant. Zudem stellte er Ermüdungserscheinungen fest, was die Tätigkeit im Aussendienst betraf. Was für ihm jedoch wichtig war, war, dass er die Unternehmung mit erhobenem Haupt verlassen konnte. Er wollte es auf keinen Fall zulassen, dass ihm gekündigt wurde.

3. Die Massnahmen

Die Massnahmen Schritte beinhalteten zwei Schwerpunkte:

a) Wie konnte er seinen Status innerhalb der Firma festigen, damit ihm nicht gekündigt würde?Für diesen Punkt bestand bereits ein Plan mit einer schriftlichen Vereinbarung und Markus D. war bereits intensiv daran, die definierten Punkte zu verbessern. Widerwillig, aber er tat es.

b) Welche Schritte musste er für seine Weiterentwicklung in die Wege leiten? Hier ging es darum, eine neue Perspektive für Markus D. zu schaffen. Die Eckpunkte und Rahmenbedingungen waren klar. Es sollte wieder ein Anstellungsverhältnis sein und er wollte an seinen Stärken und seinen jahrelangen Erfahrungen aufbauen.

Um diese Frage zu klären, vereinbarten wir einen weiteren Termin. Hier kristallisierte sich heraus, dass sich Markus D. für die Idee in Zukunft als betriebsinterner Sales Trainer tätig zu sein, begeisterte. Er hatte bei seinem aktuellen Arbeitgeber bereits Trainings und Workshops für sein Team durchgeführt. Zudem waren ihm die Qualitätsansprüche und die Richtlinien der Branche bestens vertraut.

Typisch Generation X, hatte er sowohl mit der analogen und traditionellen Arbeitsweise wie aber auch mit digitalen Anwendungen seine Erfahrungen gearbeitet. Beides war ihm somit vertraut – er kannte die Vor- und Nachteile beider Seiten.

In der Vergangenheit hatte er immer wieder festgestellt, dass es Differenzen unter den verschiedenen Generationen gab. Baby Boomer vs. Generation Y. Immer öfter hatte er als Vertreter der Generation X eine «Vermittlerrolle» eingenommen, da er beide Welten bestens kannte. Ein Privileg der Generation X. Darauf wollte er auch in Zukunft setzen.

Wir evaluierten, welche zusätzlichen Fähigkeiten er noch brauchte um sich als Sales Trainer eine Stelle zu suchen. Es stellte sich heraus, dass er pädagogisches und methodisches Know-how aufbauen musste. Also begann er eine Ausbildung zum Dipl. Sales & Performance Coach.

Ein Rückschlag als Chance für den Neuanfang
Drei Wochen nach unserem letzten Treffen teilte er mir mit, dass ihm von seinem Arbeitgeber der nahegelegt wurde, seine Position zu verlassen und innerhalb der Unternehmung eine neue Herausforderung zu suchen. Das war unerwartet und kam einer Degradierung gleich. Markus D. war entsprechend vor den Kopf gestossen. Dieses unschöne Erlebnis gab ihm den letzten Kick, zu kündigen und sich ausserhalb der Unternehmung eine neue Herausforderung zu suchen. Da er auf ein gut funktionierendes Netzwerk innerhalb der Branche zurückgreifen konnte und einen hervorragenden Ruf besass, fand er noch während der Kündigungsfrist eine neue Anstellung als Sales Trainer. Jetzt war er für die Konzeption und Umsetzung verschiedener Trainingsprogramme zuständig. Er entwickelte diverse Train the Trainer Programme und stellte die Qualität der Trainings an den verschiedenen Standorten sicher.

«Ich habe meinen neuen Traumjob gefunden“, schrieb er mir ein paar Monate, nachdem er seine neue Stelle angetreten hatte.


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