Sacha Johann

View Original

Die Einsamkeit Der Führungskraft - Ursachen und Gegenmittel

Als Podcast hören

See this content in the original post

Im Business Coaching mit Führungskräften steht immer wieder das Thema Einsamkeit im Raum. Das fängt meist schon auf der Stufe Teamleiter an und je höher die Position, umso grösser die Isolation. Betroffen sind angestellte Führungskräfte genauso wie Unternehmensinhaberinnen und -inhaber. Unsicherheiten, Zweifel und Ängste werden aus verschiedenen Gründen selbst verarbeitet. Austausch und Reflexion werden weniger und fehlen irgendeinmal ganz. Mit der Zeit kann die Einsamkeit zur Belastung werden, welche sowohl mentale als auch körperliche Folgen mit sich bringt. Das muss nicht sein.

Was führt dazu, dass sich Führungskräfte isolieren? Klientinnen und Klienten nennen mir im Coaching verschiedene Gründe. Hier die meistgenannten:

«Ich kann es mir nicht erlauben, Schwäche zu zeigen»
«Ich muss jederzeit Stärke zeigen. Alles andere könnte irgendeinmal gegen mich verwendet werden. Fehler liegen schon gar nicht drin. Der Druck ist enorm und teilen kann ich meine Gedanken auch nicht. Das führt dazu, dass ich alles lieber selbst mache oder mit mir aushandle.» So die Worte einer Klientin im Coaching.

Damit steht sie nicht allein da. Noch immer ist es für eine Führungskraft nicht sicher, Schwäche zu zeigen. Leader zeigen keine Schwäche. Wer Schwäche zeigt, wird zum Objekt von Spekulationen und ist angreifbar. So die weitverbreitete Meinung.

Eigentlich ein Wahnsinn. Denn: Übermenschen gibt es nicht, das wissen wir in der Zwischenzeit. Und: Mitarbeitende wollen von Menschen auf Augenhöhe geführt werden. Selbst das Gros der Öffentlichkeit hat heute mehr Achtung vor Führungskräften, die sich menschlich zeigen, als vor vermeintlich unzerstörbaren Superhelden.

Brené Brown hat mit ihrem Buch «Verletzlichkeit macht stark: Wie wir unsere Schutzmechanismen aufgeben und innerlich reich werden» einen wichtigen Beitrag zu diesem Thema geleistet.

«Fehler kann ich mir keine leisten»
Fehler sind ein Zeichen von Inkompetenz. Wer Fehler macht, ist unfähig. Wer Fehler macht, ist angreifbar. Und ja, die Konkurrenz und die Öffentlichkeit warten nur darauf, aus Fehlern Potential zu schlagen. Und intern steht der Ersatz schon in den Startlöchern und wartet auf seine Gelegenheit.

«Ich weiss, dass einer der Kollegen in der Geschäftsleitung nur darauf wartet, dass ich DEN entscheidenden Fehler mache, damit er mich beerben kann. Das verunsichert mich. Also prüfe ich jeden Schritt, jede Entscheidung mehrmals, damit ich nicht in die Falle tappe.» So hat mir ein Klient im Coaching seine aktuelle Situation geschildert.

Mit dieser Angst und der damit verbundenen Unsicherheit sind viele Führungskräfte konfrontiert. Also versuchen sie, die Kontrolle über alles zu behalten, und neigen zu einem ungesunden Perfektionismus, der dazu führt, dass sie alles selbst bewältigen wollen, nur sich selbst vertrauen und keine Hilfe in Anspruch nehmen.

«Ich muss den Beweis erbringen, dass ich die richtige Besetzung bin»
Die Leiterin einer Rechtsabteilung brachte es einmal mit folgenden Worten auf den Punkt: «Ich habe mich für diese Position gegen zwei weitere Kandidaten durchgesetzt. Mit der Entscheidung waren nicht alle einverstanden. Ich habe nun permanent das Gefühl, dass ich sowohl meinen Kritikern, aber auch denen, die mich ernannt haben, beweisen muss, dass ich die richtige Person für diesen Job bin.»

Niemand will als Fehlbesetzung gelten. Also gilt es permanent zu belegen, dass man die richtige Besetzung ist. Diesen Beweis muss man in der Öffentlichkeit und innerhalb der Unternehmung immer wieder erbringen. Das gilt auch für die Personen, welche einen in die Position gewählt haben. Deren Vertrauen will man nicht enttäuschen. Hinzu kommt, dass genau diese Personen ihre Wetten neu abschliessen, wenn man nicht mehr den Ansprüchen genügt und keine Erfolge liefert.

«Es zählt nur der Erfolg»
«Die Zielvorgaben werden immer höher. Wenn wir sie erreichen, ist die Welt in Ordnung. Wenn es aber einmal nicht so läuft, wie es soll, stehe ich im Fokus. Ich bin permanent daran, mich selbst und das Team zu motivieren und Wege zu suchen, wie ich mich davor schützen kann, ins Kreuzfeuer zu geraten. Entscheidungen fälle ich deshalb in den meisten Fällen allein.» So der Geschäftsführer einer mittelgrossen Unternehmung.

Die Erwartungen sind hoch und permanentes Wachstum ist Pflicht. Gut für alle, wenn es läuft. Für Stillstand oder nicht erreichte Zielvorgaben wird jedoch in vielen Fällen die Führungskraft in die Pflicht genommen. Also heisst es weiterwachsen, neue Erfolge erzielen und gleichzeitig Misserfolge und Rückschläge vermeiden. Eine Herkulesaufgabe, welche ein grosses Mass an Ressourcen beansprucht und permanenten Druck auslöst.

«Ich habe keine Verbindung zu meinen Kolleginnen und Kollegen»
Ein Konzernleitungsmitglied wurde von seinen engsten Mitarbeitenden abgeschottet wie ein Superstar. Nichts ging schnell genug, war gut genug. Überall machte man potentielle Risiken aus, vor denen man ihn schützen wollte. So hatten denn auch im Arbeitsalltag Mitarbeitende gar nicht erst Zugang zu ihm. Er hatte sich selbst eine Bubble geschaffen, in welcher er scheinbar erfolgreich funktionierte. Bis zu dem Zeitpunkt, als Resultate ausblieben und eine Reihe von Fehlentscheidungen dazu führten, dass seine Division massiv an Erfolg einbüsste.

Ein Beispiel, wie es leider viel zu oft vorkommt: Die Führungskraft vertraut nur noch sich selbst oder ihrem engsten Umfeld. Verbindungen werden gekappt, neue werden gar nicht erst aufgebaut. Man schafft sich seine eigene Welt, in welcher nur noch das eigene Ziel- und Werteverständnis Gültigkeit hat. Oftmals ist dieses jedoch nicht mehr kongruent mit der Basis. Die Distanz zu Kolleginnen und Kollegen und zu den Mitarbeitenden wächst. Austausch und Reflexion fehlen vermehrt. Aus Angst oder aus taktischen Gründen erhält die Führungskraft weniger oder gefiltertes Feedback. Die Gefahr von Fehleinschätzungen und -entscheidungen wächst.

«Ich fühle mich auch privat einsam»
Die Dynamik des Berufsalltags leben Führungskräfte oft auch in der Freizeit. Handy und PC sind immer in Betrieb. Die Distanz zum Job wird immer geringer. Und in der Freizeit geht das Streben nach dem Maximum weiter. Auch hier heisst es: schneller, besser, noch mehr. Marathon, Klettern, Radtouren oder noch eine Karriere in der Politik. Da fehlt dann irgendeinmal die Zeit für den Partner, die Kinder und Freunde. Wie bei diesem Unternehmer: «In den letzten drei Wochen habe ich meinen Sohn nur schlafend gesehen.»

Oftmals entsteht auch der Irrglaube, dass die fehlende zwischenmenschliche Nähe materiell ausgeglichen werden kann. So die Aussage eines Klienten, dessen Beziehung in die Brüche ging: «Sie hatte doch alles, Haus, Auto, Ferien, so viel sie wollte.» Leider kompensiert das Materielle das Fehlen der weichen Faktoren in den meisten Fällen nicht. Familie und Freunde richten sich neu aus, entdecken neue Aktivitäten und schaffen sich ihr eigenes Umfeld. So entstehen auch im Privatleben Isolation und Einsamkeit.

Wenn Ihnen diese Aussagen bekannt vorkommen und auch Sie zunehmend mit Einsamkeit und Isolation konfrontiert sind, sollten Sie weiterlesen. Vielleicht können Ihnen nachfolgende Massnahmen von Nutzen sein.

Nutzen Sie bewusst gewählte Einsamkeit als Chance für die persönliche Reflektion
Einsamkeit muss nicht schlecht sein. Bewusst gewählte Einsamkeit ist ein wirksames Mittel, um Ruhe und Regeneration zu finden. Aber auch, um zu sich selbst zu finden und sich zu reflektieren. Schauen Sie in solchen Momenten achtsam in sich hinein und fragen Sie sich, ob Ihre aktuelle Situation noch Ihrem Idealbild entspricht. Ob Sie die Sinnhaftigkeit in dem, was Sie tun, noch finden. Entspricht das noch Ihrer inneren Haltung, Ihren Werten? Wie sieht es mit dem erzielten Nutzen aus? Für Sie, aber auch für Ihr Umfeld? Und können und wollen Sie Ihre Ressourcen für den nachhaltigen Erfolg noch im gewohnten Mass einbringen? Oder schlägt das Pendel in eine andere, unerwünschte Richtung aus?

Wenn dem so ist, versuchen Sie in einem ersten Schritt herauszufinden, wie denn das Idealbild aussehen müsste. Überlegen Sie dann, was Sie benötigen, um dieses Idealbild wieder Realität werden zu lassen. Notieren Sie sich sämtliche Optionen, ohne zu werten. Danach gewichten Sie diese nach Machbarkeit und Verträglichkeit.


Schaffen Sie psychologische Sicherheit und leben Sie sie vor
In einer Unternehmung, in welcher sämtliche Involvierten gehört werden, wo alle ohne Konsequenzen Fehler machen, Ideen teilen und unpopuläre Meinungen vertreten können, besteht psychologische Sicherheit. Das schafft Verbindung zu Mitarbeitenden und Kolleginnen und Kollegen. Und dann können Führungskräfte auch davon ausgehen, dass sie ungefiltertes Feedback und ungefilterte Informationen erhalten.

Das funktioniert jedoch nur, wenn Vertrauen, Respekt und Wertschätzung von der Unternehmensführung auch glaubwürdig horizontal und vertikal vorgelebt werden. Besteht in Ihrer Unternehmung und in Ihrem direkten und erweiterten beruflichen Umfeld diese Sicherheit?

Nehmen Sie sich interne und externe Sparringspartner zur Seite
Schaffen Sie sich ein Vertrauensteam welches aus 3-4 Sparringspartnern besteht, die auf verschiedenen Hierarchiestufen tätig sind: Peers, Direct Reports, Mitarbeitende(r). Holen Sie sich dort regelmässig Feedback aber auch Feedforward ab und kommunizieren Sie von Anfang an, dass Sie direktes und ungefiltertes Feedback schätzen und erwarten.

Schaffen sie sich zudem ein Netzwerk, welches sich ausschliesslich mit Personen ausserhalb ihrer Unternehmung zusammensetzt. Das können zum Beispiel Führungskräfte und Unternehmerinnen und Unternehmer aus anderen Branchen sein. Wählen Sie aber auch Personen aus Ihrem ganz privaten Umfeld, welchen Sie wirklich vertrauen.

Ergänzen Sie das Ganze mit einem neutralen Sparringspartner, mit welchem Sie in einem regelmässigen Rhythmus Feedback und Feedforward reflektieren, konkrete Situationen analysieren oder sich ganz einfach austauschen.

Sprechen Sie auch über Schwächen, Rückschläge und Fehler
Wer nur von seinen Stärken und Erfolgen spricht und Fehler verschweigt, weckt Misstrauen und nicht selten auch Neid. Wenn Sie auch mal von Ihren Rückschlägen oder Fehlern sprechen, wirken Sie menschlich und nahbar.

Zudem zeigen Sie, dass Sie Ihren Erfolg auch wirklich erarbeiten mussten. So wie alle, weil auch Sie ein ganz normaler Mensch sind. Oft werden Mitarbeitende sogar zusätzlich motiviert, weil sie erkennen, dass man Schwächen überwinden, Fehler korrigieren und Rückschläge überstehen kann.

Geben Sie Vertrauen und versuchen Sie nicht, alles selbst zu schaffen
Sie sind nicht allwissend, Sie haben nicht unbegrenzte Ressourcen, Sie können gar nicht den kompletten Überblick haben.

Machen Sie sich dies bewusst. Machen Sie nicht alles selbst und lösen Sie sich von dem Anspruch, über alles die Kontrolle zu haben. Vertrauen Sie den Fähigkeiten anderer und geben Sie mit gutem Gewissen Verantwortung weiter. Aber wählen Sie mit Bedacht.

Stellen Sie Fragen
Wie bereits erwähnt: Sie sind nicht allwissend. Ihr Job ist es auch nicht, alles zu wissen. Das ist der Job der Experten in Ihrer Unternehmung. Aber Sie sollten wissen, wo Sie Antworten auf Ihre Fragen erhalten. Und dann fragen Sie. Das ist ein Zeichen von Stärke und Selbstvertrauen.

Und es schafft Vertrauen bei Ihren Mitarbeitenden. Aber fragen Sie nicht einfach, weil es gerade auf der Traktandenliste steht. Die Fragen sollten ernsthaftes Interesse an der Sache oder der Person selbst signalisieren.

Also: Zeigen Sie sich von Ihrer menschlichen Seite. Nehmen Sie sich Zeit für sich und Ihre persönliche Reflektion. Prüfen Sie, ob Sie Ihre Sinnhaftigkeit noch finden. Schaffen Sie sichere Verbindungen innerhalb und ausserhalb Ihrer Unternehmung. Geben Sie Vertrauen und nehmen Sie sich einen Sparringspartner mit einer neutralen Sicht zur Seite. Dann wird Führen für Sie zu einer erfüllenden und faszinierenden Aufgabe.


Sie wollen raus aus der Einsamkeit? Oder suchen Sie für ganz konkrete Herausforderungen Antworten? Nehmen Sie mit mir Kontakt auf, wir finden gemeinsam heraus, wie wir zusammenarbeiten können.