Warum der Generationenkonflikt ohne die Generation X stattfindet
Immer wieder lesen und hören wir, aktuell wieder im Kontext der Coronakrise, vom Generationenkonflikt zwischen den Baby Boomern (1946 – 1964) und der Generation Y (1980 – 2000) und Z (2000 – 2012). Die Generation X (1965 – 1980) wird so gut wie nie erwähnt. Dabei steht sie genau zwischen diesen beiden Generationen. Ist das der Grund, warum sie sich nicht auch im Auge des Sturms befindet? Und, kommt der Generation X gar eine eigentliche Vermittlerrolle zu?
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Der Konflikt zwischen den Baby Boomern und den jüngeren Generationen Y und Z hat vor einiger Zeit mit der Phrase «Ok Boomer» einen neuen Höhepunkt erreicht. Sie hat es sogar in die Internet Enzyklopädie Wikipedia geschafft: «OK Boomer ist eine Phrase, die sich im Laufe des Jahres 2019 zu einem Internet-Meme entwickelte. Sie wird verwendet, um als Sterotyp angesehene Ansichten der Baby Boomer-Generation zurückzuweisen und sich über diese lustig zu machen. Das Meme entstand als Reaktion auf wiederkehrende pauschalisierende und abwertende Kritik an jüngeren Generationen und vermeidet – beabsichtigt – eine inhaltliche Argumentation. Es repräsentiert einen Generationenkonflikt, der inhaltlich auf pauschalen Aussagen basiert.»
Nachdem also die Baby Boomer jahrelang auf die Generation Y und Z «eingeschlagen» und sich über sie lustig gemacht hatte, haben diese ihrem kollektiven Frust mit «OK Boomer» an den veralteten, engstirnigen, abwertenden und herablassenden Baby Boomern Luft gemacht.
Dieser Generationenkonflikt, welcher durch die Corana-Krise ein weiteres Kapitel schrieb, wurde schon in vielen Artikeln behandelt. Interessant ist die Tatsache, dass die Generation X in diesem Konflikt offensichtlich nicht involviert ist. Fakt ist jedoch, dass es schon zwischen der Generation X und den Baby Boomern immer wieder zu Konflikten und Machtkämpfen gekommen ist. Sind die Baby Boomer also allein das Problem?
Analoge Baby Boomer
Vermutlich nicht. Aber die Baby Boomer sind die Generation, welche noch komplett analog aufgewachsen ist. Und auch heute noch vielfach analog unterwegs ist. Ihre Kindheit und Jugend waren von den Nachwehen des 2. Weltkrieges geprägt. Die Arbeit steht bei den Baby Boomern im Vordergrund und von dieser Generation wurde auch der Begriff Workaholic geprägt. Bewahren und möglichst wenig verändern ist oft die Maxime.
Die Schlüsselkinder der Generation X
Die Generation X war schon immer Veränderungen ausgesetzt. Vom Wähltelefon zum Smartphone, vom öffentlichen Fernsehen zu Netflix, vom Brettspiel zum Videospiel, vom Jugendverein zu Social Media (ok, der ist etwas provokativ). Neu bei dieser Generation war auch, dass oftmals beide Elternteile gearbeitet haben. So ist auch der Begriff «Schlüsselkinder» entstanden: Die Kids, die alleine mit dem Hausschlüssel um den Hals nach Hause kamen und auf sich alleine gestellt waren. Nicht zu vergessen die prägenden Ereignisse, die sich auf der ganzen Welt ereignet haben: Aids, Tschernobyl, Ozonloch, Waldsterben, der Mauerfall oder der Zusammenbruch der Sowjetunion, um nur einige zu nennen. Die Generation X kennt sich sowohl in der analogen wie auch in der digitalen Welt aus. Als anpassungsfähige Generation hat sie jeweils das Beste aus jeder Welt gewählt. Und das war immer weniger aus der traditionellen und konservativen Welt der Baby Boomer, deren Erfahrungen oftmals nicht mehr zur Bewältigung aktueller Herausforderungen geeignet waren. So ist auch hier immer mehr ein Graben zwischen diesen Generationen entstanden.
Digital Natives der Generation Y und Z
Und dann kamen die Generationen Y und Z. Noch «schlimmer» für die Baby Boomer. Diese Digital Natives, die mit Smartphone und Internet groß geworden sind. Sie sind sehr gut informiert, wollen schnelle Antworten und fragen mehr nach dem Warum als nach dem Was. Sie sind in dem Wohlstand und in der Sicherheit aufgewachsen, welche die Baby Boomer geschaffen haben. Viele dieser Systeme stoßen allerdings an ihre Grenzen – die jüngeren Generationen tragen die Konsequenzen und werfen das den Baby Boomern auch offen vor. Der Konflikt war vorprogrammiert und hat sich in den letzten Jahren zugespitzt. Eine Verbindung, welche auf Wertschätzung und Interesse aneinander basiert, scheint nicht in Reichweite.
In der Mitte also Generation X. Sie ist die Übergangsgeneration zwischen den traditionellen und sicherheitsliebenden Babyboomern und den digital geprägten, jüngeren Generationen Y und Z. Sie scheinen weder bei den Baby Boomern noch bei den jüngeren Generationen maßgeblich anzuecken. Warum ist das so?
Die Generation X kennt beide Welten
Die Generation X kennt sich als letzte analoge und erste digitale eben in beiden Welten bestens aus. Sie versteht sie sowohl die Denk- und Handlungsweise der Baby Boomer als auch die der jüngeren Generationen. So baut die Generation X auf verlässliche Werte und ist gleichzeitig offen für Neues.
Integrieren und gemeinsam wachsen
In einer Studie wurde der Generation X Führungsqualitäten, Einfühlungsvermögen, Freundlichkeit und die Fähigkeit zur Problemlösung attestiert. In Führungspositionen wählt die Generation X einen inkludierenden und verbindenden Stil. Dies, nachdem sie als junge Arbeitnehmende mit starren Hierarchien und oftmals Angst und Druck konfrontiert war. Die Generation X hat sich dafür entschieden es anders zu machen. Aus «Macht euren Job wie geheissen» wurde «Wir machen das gemeinsam besser und wachsen im Kollektiv».
Fragen als Zeichen von Stärke
Die Generation X ist sich nicht zu schade zu fragen. Aus eigener Erfahrung wissen Sie, dass heute Fragen stellen und Fehler machen nicht mehr Zeichen von Schwächen und Inkompetenz sind. Fragen ist ein Zeichen von Wertschätzung und Vertrauen. Wer fragt, wird auch gefragt. So wird diese Generation auch immer mehr zur Anlaufstelle sowohl für die jüngeren Generationen wie auch für die Baby Boomer, welche sich beide von der Generation X verstanden fühlen.
Digitalisierung ja, aber wohldosiert
Die jüngeren Generationen bedienen und konsumieren verschiedene Kanäle gleichzeitig – damit sind die Baby Boomer oftmals überfordert und sie verweigern sich. Die Generation X hat sich als Digital Immigrant daran gewöhnt, dass immer wieder neue Features auf den Markt kommen. Und sie ist offen für die Möglichkeiten, die sich ihr dadurch bieten. Anders als die jüngeren Generationen dosieren sie den Konsum aber auch – wohl auch als Teil ihrer Work-Life Balance, die ihr so wichtig ist.
Toleranz als Verbindungsglied
Die Generation X hat gelernt, dass man stetigen Veränderungen nur mit einem nötigen Maß an Toleranz und Annahme von Tatsachen oder Menschen begegnen kann. Diese Toleranz schafft sowohl zu den traditionellen und oftmals konservativ denkenden Baby Boomern wie auch mit den weltoffenen, schnellen und zum Teil flatterhaften jüngeren Generationen Verbindung und Wertschätzung.
Unter dem Radar
Die Generation X fliegt aber auch gerne «unter dem Radar» und exponiert sich dadurch auch weniger als die Baby Boomer und die Generation Y und Z.
Die Lebensmitte und viele Fragen
Schlussendlich kommt hinzu, dass die Generation X in der Mitte des Lebens steht. Eine Situation in der man sich auch viel mit der Frage wie es für einen selbst weiter geht beschäftigt. So erreichen mich vermehrt Anfragen von Klientinnen und Klienten Anfang/Mitte 40, die eine persönliche Standortbestimmung machen wollen. Der Fokus richtet sich automatisch auf die eigenen Themen und nicht auf die Befindlichkeiten der älteren oder jüngeren Generationen.
Was auch immer dazu beitragen mag, dass der Generationenkonflikt ohne die Generation X stattfindet: Wenn sie die Rolle als Vermittler und Verbindungsglied zwischen den Generationen vermehrt wahrnimmt ist die Generation X von unschätzbarem Wert in Wirtschaft und Gesellschaft.
Spielt das Thema Zusammenarbeit zwischen Generationen in Ihrer Unternehmung auch eine Rolle? Gemeinsam mit Yannick Blättler, Experte für die Generation Y und Z und Inhaber der Beratungsagentur Neoviso führe ich Impulsreferate und Workshops zu diesem Thema durch.
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